Freitag, 3. April 2009

Irland zerbricht

Es ist schon krass mitanzusehen, wie das Land um einen herum immer mehr den Bach runter geht.

So rasant das Wirtschaftswachstum des "Keltischen Tigers" seit den 90er-Jahren war - der Zerfall ist noch viel schneller und krasser.

Inzwischen verlassen die hier lebenden Gastarbeiter das Land beinahe fluchtartig, die im Rekordtempo hochgezogenen Neubaugebiete werden zu leerstehenden Geisterstädten, und im irischen TV überschlagen sich die Horrormeldungen - keine RTE Abendnachrichten ohne eine Liste von weiteren Firmenschließungen und Massenentlassungen.

Januar-Februar wurden in der Republik Irland im Schnitt täglich 1000 Leute entlassen. Im März sah es schon besser aus - "nur" noch 500 Entlassungen / Tag.

Die Mieten fallen zum ersten Mal seit 10 Jahren, die "Landlords" (=Vermieter) haben Angst, dass ihre Mieter ausziehen, denn ohne massive Preissenkungen werden sie dann nur noch sehr schwer Nachmieter finden (und anders als in Deutschland muss der Mieter hier bei Auszug keine Nachmieter besorgen!).

Fast alle meiner Kollegen konnten nach Ablauf der einjährigen "Lease"-Verträge Mietkürzungen von teilweise 200, 300 Euro verhandeln.

Habe ich bislang gerne mal über meinen Arbeitgeber gescholten, halte ich mich jetzt damit erstmal zurück. Klar, Issues gibt es nach wie vor (in welchem Job gibt es die nicht?), andererseits fühlt man sich als "Googler" in Dublin momentan wie eines der glücklichen Tiere, die es zu Zeiten der Sintflut gerade noch so an Bord der "Arche Noah" geschafft haben.

Anders ausgedrückt: ich fühle mich derzeit wie ein Betrachter, der im sicheren Glaskasten sitzend anschaut, wie das Land um ihn herum versinkt.

Irland ist von der derzeitigen Wirtschaftskrise eines der am härtesten getroffenen Länder, der Preis des irren Wachstums war es eben, fast vollständig von der Laxheit der Banken und den niedrigen Steuern abhängig zu sein.

Spätestens da bekommt mein sicheres Glashaus dann aber auch schon die ersten Brüche: die irische Regierung wird in den nächsten Tagen auch die Unternehmenssteuer erstmalig anheben (bislang lag diese auf 12,5%) - für die meisten der US-amerikanischen Großunternehmen waren aber die niedrigen Steuern neben der englischsprachigen Bevölkerung DAS Hauptargument, sich überhaupt erst in Irland niederzulassen.

Und da mein Arbeitgeber nun auch schon erste Schritte in Richtung Personalabbau unternimmt, werden auch die Zeiten auf meiner "Arche Noah" stürmischer werden.

Deshalb erfreue ich  mich momentan auch eher mit gemischten Gefühlen an fallenden Preisen - seit heute Morgen hat das Grauen, welches eine Entlassung bedeuten kann, auch für mich ein persönliches Gesicht: in der Bahn saß mir eine deprimiert dreinschauende Frau gegenüber, die dann am Handy ihrem Gesprächspartner mitteilte, dass heute ein "grauenvoller Tag" sei: denn heute würden alle Kundenkonten nach Großbritannien transferiert, und dann sei es "dass auch gewesen", wobei klar aus Wortwahl und Stimmlage (und Blick) hervorging, dass heute ihr letzter Arbeitstag war.

Die Dame war schätzungsweise Anfang 40 und machte heute offensichtlich "als Letzte das Licht aus".

http://www.stern.de/wirtschaft/arbeit-karriere/:Deutsche-Irland-Flucht-Insel/659877.html