Donnerstag, 22. Januar 2015

Der Koran ist da. / The Qur'an has arrived.


Dies ist also der Beginn meines Koran / Qur'an - Experiments.
Heute ist die Amazon-Lieferung eingegangen, ein sehr schönes Exemplar, verfasst von Gott natürlich (von wem sonst?) und in einer englischen Übersetzung von Abdel Haleem, einem gebürtigen Ägypter aus Kairo, der den Koran bereits als Kind auswendig lernte. Inzwischen ist er langjähriger Arabischlehrer in Cambridge und einigen Londoner Universitäten und gibt auch Fortgeschrittenenkurzse in arabischer Übersetzung und über den Koran. Seit 1995 ist er Professor für Islamstudien - ich glaube eine bessere Übersetzung ist in Europa kaum zu bekommen.

Jede Seite enthält auch eine Abbildung des arabischen Originals (nicht, dass ich das lesen könnte). Aber das wichtigste: das Buch ist groß und schwer, und wenn ich es in der Bahn lese wird es jedem sofort ins Auge fallen.

Morgen geht es also los: bin schon gespannt auf die Reaktionen.

Meine Theorie ist ja, dass die Iren relativ entspannt mit dem Thema umgehen, ich vermute mal nicht, dass ich viele Kommentare bekommen werde - gespannt bin ich dennoch.

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So here it is: my brand new Qur'an has arrived, of course delivered by Amazon. It is a very fine exemplary, written by God (of course) and in an English translation from Professor Abdel Haleem. Born in Egypt, Abdel Haleem has already memorized the Qur'an by heart as a child in a Cairo Qur'an-school. These days, he is a teacher for Arabic in Cambridge and some London universitites and also gives advanced courses in Arabic translation and Qur'an studies. Since 1995, he is a professor of Islamic studies - I don't think I can get a better translation in Europe.

Each page also contains an original picture with the Arabic text (not that I could read that). But the most important thing: the book is big and heavy, and when I will be reading it in the DART-train, it will catch everyone's eye.

Tomorrow is the start, then: I'm already curious about people's reactions.

My current theory is that the Irish are pretty relaxed about the whole thing, they might have a sense of community that is a little bit too strong for my liking, but they have also a "live and let live" attitude, much more so than other European people seem to have these days.

So I don't think that I'll get many comments, but we'll see anyways.


*Disclaimer: I am NOT a muslim, but a Christian from Germany with an Arabic name and Algerian-French "by-roots". These days, I am more or less Agnostic, not a member of any organized religious group and pretty much a "freethinker". Recent events in France and around the world, which led to aggressions against normal, every-day peaceful Muslims, led me to the idea of carrying out this experiment: I will be reading an English translation of the Qur'an (I've never read that book, so I might even learn something new) in public transport wherever I go. In 2015, this will be mainly Dublin, Ireland, but also include California and Germany. I'll note down any reaction my lecture will provoke and am already quite excited about these.

Sonntag, 18. Januar 2015

Koran-Experiment

Die Tage seit dem Anschlag von Paris waren ja recht ereignisvoll.

Vor allem wenn man die Reaktionen der Weltöffentlichkeit auf den Anschlag auf "Charlie Hebdo" vergleicht mit dem Massaker von Boko Haram in Nigeria. Der "Bodycount" beider Anschläge ist diametral entgegengesetzt zum Interesse des Westens. Self-self-self-self-self.

Wie dem auch sei, die Verlierer beider (und anderer Anschläge) sind die Muslime (auch das ist dem selbstverliebten, sich in Selbstüberschätzung wiegenden Westen natürlich nicht aufgefallen).

In Paris wurden dutzende von Moscheen mit Brandbomben, Granaten und blutigen Schweineköpfen (!) beworfen. Muslime in Frankreich und überall in der Welt gehen noch härteren Zeiten entgegen.

Die vermeintliche Bedrohung der Redefreiheit scheint uns im Westen aber mehr zu beschäftigen. Vor allem natürlich unserer Redefreiheit (der umstrittene, da zum Islam konvertierte und antisemitische französische Komiker "Dieudonné" wurde erstmal festgenommen, als er auf seiner Facebook-Seite dem derzeit üblichen "Je suis Charlie" den Nachnamen eines der Attentäter anhing).

Was ich mich die ganze Zeit bei der Debatte fragte ist aber vor allem: mag ja sein dass man das Recht haben muss, Religionen und Ansichten anderer zu karikieren.

Ich muss aber auch sagen, dass ich, würde ich in Paris leben und die Attacken auf Charlie Hebdo hätten nie stattgefunden, wohl eher nie ein Leser dieser Zeitschrift geworden wäre - zu krude, schmuddelig und verachtend-beleidigend waren viele der "Cartoons" dieser Zeitschrift. Nun ist ein Mangel an intellektueller Finesse ja noch kein Verbrechen, und wenn ich auch langsame Autofahrer und Anhänger von "Pegida" grundsätzlich am liebsten standrechtlich erschiessen lassen würde, so bin ich mir natürlich bewusst, dass umbringen von Karikaturisten nicht angebracht ist (einzige Ausnahe: wenn es im Rahmen von Performance-Kunst-Installationen passiert, vermute ich mal).

[Muss ich jetzt betonen dass obiger Paragraph sarkastisch gemeint war? Also quasi ein Test der Rede- und Schreibfreiheit eines jeden Menschen?]

Was mich neben dem ganzen Getöte am meisten betrübt ist, dass wir derzeit immer weiter weg kommen von einer Einstellung, die ich noch in den 90er-Jahren für gesellschaftlichen Konsens gehalten hatte: nämlich dass man "Toleranz" als ethische Tugend "sui generis" sieht; dass Gespräche über Religion zu vermeiden seien (man weiss nämlich nie, wen man u.U. entrüsten oder beleidigen könnte), also ganz allgemein dass man seine Religiosität für sich behält und die der anderen toleriert und respektiert.

Diese Art eines "gentlemen agreement" scheint im Zeitalter von Internet-Trollen und fröhlich-frechem "rum-ge-tweete" abgeschafft worden zu sein.

Wer sich beleidigt oder getroffen fühlt, hat kein Mitleid oder Verstädnis zu erwarten, sondern macht sich eher des Integrismus verdächtig.

Aber ich verliere den Faden - um an die Angriffe auf Moscheen und Muslime in Frankreich anzuknüpfen: Muslime in Europa gehen Zeiten entgegen, die den 1930er-Jahren für Juden in Deutschland immer mehr ähneln dürften. "Kauft nicht bei Moslems" ist in Frankreich bereits im Zuge, salonfähig zu werden. Gewalt gegen muslimische Geschäfte war in den letzten Tagen an der Tagesordnung, und mich beschleicht das Gefühl, dass man als Muslim in Europa von nun an mehr als nur verhaltenen Diskriminierungserfahrungen ausgesetzt sein wird.

Nun heisse ich zwar "Hakim" und habe algerisches "Erbe", was aber niemand ahnt der mich zum ersten Mal trifft ist, dass ich mit Islam bislang kaum etwas am Hut hatte. Das islamischste an mir ist mein Name. Erzogen wurde ich christlich, so richtig ordentlich mit Sonntagsschule und dreimal in der Woche Kirchgang (oh ja). Meine gesamte mütterliche Familie ist nämlich Neuapostolisch und in dem Glauben wurde ich erzogen, konfirmiert und schließlich auch entfremdet - mit 17 habe ich die Kirche verlassen.

Muslimische Cousins, Onkel und Tanten habe ich in Algerien und Frankreich, aber ich hatte mit dieser Seite der Familie kaum Kontakt, und von der Religion der Hälfte meiner Familie weiss ich kaum mehr als Otto Normalverbraucher (und dass obwohl der Ur-ahn meiner algerischen Familie ein regionaler Heiliger ist, der angeblich vom Propheten selbst abstammt).

Was mich nach den Medienberichten der letzten Tage und Wochen nun umtreibt ist: wie tolerant ist Europa nun gegenüber seinen Muslimen?

Deshalb habe ich mir dieses Wochenende bei Amazon eine englische Übersetzung des Koran bestellt (http://www.amazon.co.uk/gp/product/019957071X?psc=1&redirect=true&ref_=oh_aui_detailpage_o00_s00), so richtig schön in Hardcover und Fettdruck auf dem Umschlagsdeckel.

Sobald das Buch eintrifft, werde ich es lesen - allerdings nur in öffentlichen Verkehrsmitteln und anderen Locations.

Da ich täglich mit der Bahn zur Arbeit fahre, natürlich vorwiegend dort. Und zwar mit einer ganz bestimmten Absicht: die Reaktionen der Menschen um mich herum interessieren mich hierbei mehr als der Inhalt des Buches.

Ich werde jeden Tag einen Blogpost zum Thema schreiben - also jeden Tag, an dem es bestimmte Reaktionen auf meine Lektüre zu verzeichnen gibt! Ich bin schon gespannt, ob ich überhaupt etwas erleben werde (immerhin lebe ich in Dublin, und die Iren sind im Vergleich zu den pegidastrammen Deutschen sehr locker wenn es um die Ansichten ihrer Mitmenschen geht).

Auf jeden Fall: möge das Experiment beginnen!

Mittwoch, 7. Januar 2015

Nachricht an PEGIDA- und AfD-Anhänger anlässlich der Terroranschläge von Paris

Hallo alle Anhänger und Mitläufer von PEGIDA, der "AfD" und der NPD!

Anlässlich der heutigen Terroranschläge von Paris hört man aus Euren Lagern viele furchtbare und furchtbar dumme Dinge.

Eines möchte ich hier klar stellen:
Ihr seid quasi die andere Seite der Medaille in diesem Spiel. Extremisten wie ihr bedarft religiöser, in Eurem Fall islamischer, Terroristen quasi als Antagonisten in einem bösen Spiel.

Sogenannter "religiöser Terrorismus" hat mit Religion ungefähr so viel zu tun wie Fußpilz mit dem Turnschuh, der ihn verursachte.

In diesem Sinne seid Ihr, die Anhänger von PEGIDA, der AfD, der NPD etc... nichts anderes als der Fußpilz einer säkularen, demokratischen und auf Frieden ausgerichteten Gesellschaft.