Montag, 28. Januar 2008

Endlich Kultur!

Nach fünf langen Monaten habe ich nun endlich mal einen "kulturellen Hafen" gefunden. Und richtig interessante Iren kennen gelernt! Es wurde ja auch langsam Zeit! :-)

Meckerte ich in meinem letzten Beitrag noch arg rum über die Ir(r)en, so darf ich nun endlich etwas schöneres berichten: es gibt sie noch, die interessanten Iren!

Da ich für meinen Vater auf der Suche nach Kontakten zu Märchenerzählern bin, bin ich ja "gezwungen", mich mit solchen Zeitgenossen zu treffen. Der Zufall kam in Form einer irischen Kollegin daher, welche mir kurz nachdem ich ihr von meiner Suche erzählte berichtete, sie habe eben erst eine sehr interessante Märchenerzählerin kennen gelernt.

Diese heisst Clare Murphy und wohnt und wirkt leider in Galway, also an der irischen Westküste.
Aber zum Glück gibt es ja Email, und so entspannte sich langsam ein Kontakt. Am 10. Januar nun war Clare zu Gast bei den "Dublin Yarnspinners", einem Verein von Märchenfreunden hier in der Stadt.
Clare hat die 30 überschritten, wirkt aber noch wie Mitte 20; sie ist eine wahnsinnig temperamentvolle, energiegeladene Erzählerin, die ihre Geschichten grossartig rüberbringt.

Der Abend bei den "Garnspinnern" ("Dublin Yarnspinners") war sehr abwechslungsreich. In Irland scheint es in allen "größeren" Städten solche Yarnspinner-Treffen zu geben. I.d.R. trifft man sich einmal im Monat (hier in Dublin jeden zweiten Donnerstag eines Monats) und es werden Geschichten erzählt. Manchmal (wie am 10.1.) ist ein "offizieller Gast" geladen, oft erzählen aber einige der regelmässigen Teilnehmer. Ich denke mal, dass es recht informell läuft und genügt, die Organisatoren ein paar Tage im voraus darüber zu informieren, dass man eine Geschichte vorbereitet hat. Dabei hat die Thematik zwar nicht gezwungenermassen  aus dem Bereich der "klassischen" Märchenstoffe zu stammen, tut es aber meistens. Das Niveau der Darbietungen schwankt daher auch von Mal zu Mal und es ist schwer kalkulierbar, ob einem ein berauschender oder eher ein enttäuschender Abend bevorstehen wird.

Wie dem auch sei, ich hatte meinen Spass. Clare als "Haupt-Act" war beeindruckend, sie fing den Abend mit Variationen zweier klassischer Stoffe aus der irischen Mythologie an, wobei sie die Geschichten aus der weiblichen Perspektive erzählte.

Nach einer Pause und einem - eher traurigen - Zwischenspiel durch einen Erzähler, den "untalentiert" zu nennen noch ein Lob wäre, kamen Geschichten aus anderen Kulturkreisen an die Reihe, nämlich von den Inuit und aus dem orientalischen Raum.

Ausser den Geschichten war das Schöne an diesem Abend, endlich interessante Leute kennen zu lernen. Man saß hinterher noch beim Bier beisammen und es entspannte sich ein Gespräch über Mythologie. Bei dieser Gelegenheit lernte ich noch einen Erzähler kennen, der in Dublin Erzähl-Events der anderen Art organisiert. Coilìn ist der Organisator des "Narrative Arts Club", der sich auch einmal monatlich (z.Zt. im sehr stilvollen, viktorianischen "Central Hotel") trifft. Coilìn ist Vertreter der eher "selektierten" Erzählabende. Will heissen: er hat (hehe, ähnlich wie Google) die "user experience" im Blickfeld. Soll heissen, bei ihm kann nicht jeder und schon gar nicht spontan erzählen. Will man bei Coilìn auftreten, muss man entweder schon ein gewisses Renommé besitzen oder aber in einem der von ihm angebotenen Workshops gezeigt haben, dass man auch in der Lage ist, das Publikum zu unterhalten (und nicht abzuschrecken).

Am Samstag den 12.1. war ich dann auch gleich beim "Narrative Arts Club" zu Gast. Wie schon der Name sagt, beschränkt man sich dort ganz und gar nicht auf Märchen, sondern alles, was irgendwie mit den erzählenden Künsten zu tun hat, darf hier vorgetragen werden - auch selbst geschriebenes oder erlebtes - die Professionalität muss halt stimmen.

Der Abend war als "Mehrgänge-Menu" strukturiert. Die Gäste bekamen "Speisekarten" mit Vor- und Hauptspeisen, Side Dishes und Desserts ausgehändigt und so konnte das Publikum sich die Geschichten selbst zusammenstellen. Erzählt hatte an diesem Abend ausschließlich Coilìn selbst, mit der Ausnahme eines Gastes, der unglaublich eindrucksvoll und poetisch aus seiner Zeit als Tiefseetaucher berichtete und von einem Unfall, den er damals nur knapp überlebte.

Natürlich hatte ich auch für meinen Vater Werbung gemacht, und so wird Coilìn aller Voraussicht nach im März, wenn meine Eltern uns besuchen werden, den Hotelraum für eine Vorstellung buchen, die dann nur meinem Vater als Bühne dienen wird.

Es wird voraussichtlich der 12.3.08 sein. Interessenten aus Deutschland sind natürlich herzlich eingeladen, müssten aber Ihren Dublin-Aufenthalt gänzlich selbst organisieren, da unsere Wohnung dann schon belegt sein wird...

Wie dem auch sei, endlich tut sich etwas: das Kennen lernen von interessanten Personen AUSSERHALB des Kollegen-Kreises bedeutet für mich endlich, auch ein "Leben" ausserhalb der Firma zu haben sowie das Gefühl, hier etwas "angekommen" zu sein.

Sonntag, 20. Januar 2008

"Men of Honor"

Einer der Filme, die ich nie sah, weil mich schon das Cover abschreckte: US-Navy-Film? Auch Robert DeNiro konnte mich nicht überzeugen - der hat zwar in so manchem Film geglänzt (Taxi Driver, Godfather 2 oder 3, weiss nicht mehr genau, The Untouchables etc...), aber auch in viel Müll mitgespielt - also ähnlich wie so manche "Hollywood-Grösse" (oder wie Sean Connery, hahaha) nicht unbedingt ein "Garant" für den Wert eines Filmes.

Da ich dank der umfangreichen DVD-Sammlung eines finnischen Freundes nun aber über dutzende von 1:1-Kopien solcher Filme verfüge (Kategorie: klar, Name kenne ich, war aber nie ausreichen motiviert, sie mir anzuschauen), habe ich vor, in nächster Zeit ab und an mal solch einen Film anzuschauen.

Gestern war wie gesagt "Men of Honor" (dt.: "Eine Frage der Ehre") dran. Der Film entpuppte sich mitnichten als Selbstglorifizierung des US-Militärs, sondern als die Nacherzählung eines echten biographischen Kampfes:

Erzählt wird die Geschichte des ersten schwarzen Absolventen der US-Navy-Taucherschule, der auch der erste "Master Diver" der Navy wurde. Und der seine Ausbildung zu einer Zeit ablegte, als es noch ein absoluter Tabubruch war, einen Schwarzen in die Navy zu anderen Dingen aufzunehmen als zum Kochen und Deck schrubben.

Dazu kommt noch, dass er bei einem Unfall ein Bein verlor und durchsetzte und bewies, dass er dennoch voll Einsatzfähig war. Dieser Mann hat also sowohl für die "afro-americans" als auch für die Behinderten grundlegende Rechte erstritten bzw. Neuland betreten.

Die Verfilmung seines Lebens ist natürlich sehr pathetisch. Cuba Gooding Jr. spielt ihn mit Denzel Washintonesquer Verve, Robert DeNiro mimt den grimmigen Drill-Seargant, halb Arsch, halb Unterstützer seines Schülers...

Alles in allem ein Film der "OK" ist und v.a. im letzten Drittel zu überzeugen weiss. Anfänglich hatte ich des Öfteren den refelxartigen Griff zum Auswurfknopf meines DVD-Laufwerks nur mit Mühe zurückhalten können...

Denk ich an Deutschland in der Nacht...

... hat es dort grade "bumm" gemacht.

Eher selten konsultiere ich noch deutsche Nachrichten-Websites, da mich die Berichterstattung dort immer weniger interessiert (überhaupt interessiert mich die allgemeine Weltlage immer weniger, eine wohltuende Distanz zur sogenannten "Welt" scheint auf einer Insel einfacher zu realisieren).

Heute hab ich einen kurzen Blick über den "kleinen Teich" geworfen, und was lesen meine amüsierten Augen?

Guido Knopp bezeichnet Tom Cruise als "Goebbels" des Hollywood-Kinos (ob dessen scientologischen Eifers).

Nu mei, für mich war Guido Knopp immer der Goebbels des 4. Reiches Doitscher Nation. "Hitlers Haustiere" ist glaub ich noch die letzte nicht gedrehte Pseudo-Doku dieses Scharlatans der Geschichtswissenschaften. Unterste Schublade.

Und was Cruise und Scientologen angeht: ich finde es lustig, dass Scientology Dinge vorgeworfen werden, die in den "etablierten" Religionen schon seit Jahrhunderten Brauch sind: Gehirnwäsche der Mitglieder, Diffamierung und Bekämpfung der Gegner etc...

Wenn ich recht informiert bin, hat die CSU-nahe "Hans Seidel Stiftung" im Auftrag der bayrischen polit-kirchenfaschisten eine Propagandamaschinerie laufen, mittels derer aufgeklärte Atheisten zu Menschen zweiter Klasse erklärt werden sollen. Hier wird mit ganz billigen Tricks aus der Klamottenkiste gearbeitet wonach Atheisten "keine Moral" hätte, da sie ja an "nichts Höheres" glaubten.

Nach meiner Erfahrung sind Atheisten mit die aufgeklärtesten und moralischsten Menschen überhaupt. Wenn es einen Gott gäbe, wären ihm die Atheisten wohl noch die liebsten Himmelsgäste, immerhin instrumentalisieren sie ihn nicht für ihre perfiden Egotrips.

Wenn ich mir hingegen das Treiben der Religiösen jeglicher Couleur anschaue, dann kann ich nur Hagen Rether zitieren: "Da dreht sich Gott ja im Grabe um!"

Donnerstag, 17. Januar 2008

I(r)rland und das Nachtleben

Zunächst hatte sich Dublin ja erstmal als eher hässliche, überlaufene, freizeitmässig wenig abwechslungsreiche Stadt entpuppt. Seit Kurzem weiss ich, dass man nie zu schnell urteilen sollte (ok, DAS weiss ich natürlich schon länger!), denn ich habe einige sehr interessante Begegnungen gehabt.

Zunächst möchte ich aber mal so richtig über meine "Nachtleben-Erfahrungen" der ersten Monate so richtig übel herziehen, quasi aus Gründen der "Psycho-Hygiene". So!

Die "Aktivitäten" hier dürften so in etwa mit Hagen Rethers Urteil über dessen Heimatstadt Essen übereinstimmen: das Schönste an Essen sei es demnach, dass es so schön viele Autobahnanbindungen gibt, man kommt also immer schnell raus.

Dublin hat zwar nur eine Popel-Autobahn, und die ist dazu noch im Dauerstau, aber das Beste an Dublin ist meiner Meinung nach eben auch, dass es genug Wege nach Außerhalb gibt.

Viele Dubliner sind - gelinde gesagt - uninteressante Opfer des eigenen Erfolgs, vergiften sich schon morgens in der Bahn den Geist mit der Lektüre der kostenlosen Gazetten (die, soweit ich von den Überschriften her urteilen konnte, meist voll sind von schlechten aber unwichtigen Nachrichten, ganz im "Brisant"-Stil), und abends gehen sie - so sie nicht zu Hause sitzen und TV schauen - in die Pubs und saufen sich ins Koma.

Die Jugendlichen rotten sich auch gerne jogginghosentragend zusammen und randalieren, was das Zeug hält, im Norden Dublins verprügeln sie auch gerne mal Ausländer oder schlagen Autoscheiben ein.

Abends in den "Clubs" der Stadt erkennt man Irinnen meist daran, dass sie am nuttigsten angezogen und überschminkt sind. Wo die junge Mitteleuropäerin noch eher Stil haben, lässt frau hierzulande am Liebsten die T****n raushängen und trägt "Röcke", welche diese Bezeichnung kaum verdienen. Dies ist keine Übertreibung. Junge Irinnen (also 18-25, grob geschätzt) erkennt man abends beim Ausgehen meist daran, dass sie einen an osteuropäische Prostituierte erinnern. Und ich bin sicher, dass ich hier nicht den durchaus auch vorhandenen jungen Polinnen auf den Leim gegangen bin, man hört sie ja leider auch noch (denn die Mädels sind oft noch betrunkener als ihre männlichen Landsleute). Kollegen, die in England studierten, ist das übrigens auch aufgefallen, auch Kollegen aus diversen anderen Ländern Europas teilen diese Meinung mit mir - ich spreche hier also nicht aus Kulturschock oder so ähnlich.

Und so gestaltete sich "Nachtleben" hier eben meist so, dass ich mich mit Kollegen entweder direkt von der Arbeit aus in nahe gelegene Pubs begebe und man dann - so es Wochenende ist - auf irgendeine Privatparty eines Kollegen geht. Dort hängen dann fast auch nur Kollegen rum. Manchmal wird einem auch jemand als "NGF" vorgestellt: Non-Google friend. Hurra, wir sektieren!

Nicht nur aus diesem Grund vermeide ich z.Zt. immer mehr, mit Kollegen wegzugehen. (Wie oft habe ich das Wort "Kollegen" jetzt eigentlich benutzt in den letzten 5 Sätzen? Etwa 100 mal etwa?) Es ist einfach zermürbend, auch noch die Wochenenden mit Leuten zu verbringen, mit denen man ausser dem Arbeitgeber oft nicht viel gemein hat. 70-80% der Kollegen wohnen ja auch noch im "Google-Ghetto", also in maximal 2-3 Kilometer Entfernung der Firma. In den allermeisten Fällen in 2er oder 3er-WGs mit anderen Kollegen. Super. Da hätt ich ja gleich an der Uni bleiben können.

Also nix wie raus heisst die Devise, und so bin ich froh über unsere Wohnung in Sutton und die Meeresluft, den täglichen Blick auf "meinen" Berg, Ben Eadair, der, wie ich beim Lesen irischer Mythologie mit Freude feststellte, schon in den ältesten Mythen namentlich erwähnt wird.

Und auch privat und sozial hatte ich einen grossen Bedarf nach etwas völlig und gänzlich NEUEM! Und ich habe es gefunden! Was es ist? Das erzähle ich im nächsten Beitrag.

Montag, 14. Januar 2008

Bücker-Ecke! Jiddu Krishnamurti: Einbruch in die Freiheit

Aktuelle Version dieser Rezension hier:

http://biblioversum.blogspot.com/2009/11/jiddu-krishnamurti-einbruch-in-die.html

Jiddu Krishnamurti

Meine Lektüre über den Jahreswechsel war keine leichte Kost. Ich bin gerade dabei, Krishnamurti wiederzuentdecken. Mit 17, 18 Jahren hatte ich ihn zum ersten Mal - in Auszügen - gelesen. Und während meines Religionswissenschaftsstudiums war er mir im Zusammenhang mit Theosophie und Anthroposophie wieder begegnet.

Biographie Krishnamurtis:

Kurz zusammengefasst war Krishnamurti ein Opfer des pädophilen Theosophen und Mitbegründers der "modernen" (oder eher: modernden) Esoterik, Charles Webster Leadbeater.

Leadbeater war ein gescheiterter britischer Pfarrer im 19. Jahrhundert, ein glühender britischer Nationalist und entwickelte sich um die Mitte seines Lebens zum fanatischen Esoteriker. Er wurde Mitglied der "Theosophischen Gesellschaft" und reiste in die Kolonien, nach Indien.

Zunächst in Sri Lanka übte er sich in besonderen Formen der Meditation, aller Wahrscheinlichkeit nach einer bestimmten Form von bewusst herbeigeführter "Hellsichtigkeit", welche v.a. mit der Unterdrückung des sexuellen Triebes zu tun hat. Nach seiner Sicht war es jedoch die "Sublimierung der unreinen Triebkräfte" im Menschen, also eine Form "spiritueller Alchimie".

Wie dem auch sei, von nun an hielt der alte Leadbeater leider nicht mehr die Klappe, sondern schrieb auf Teufel komm raus (hahaha) äußerst schwülstige Wälzer über die "Innere Seite" der Dinge. Er behauptete unablässig, seine hellsichtigen Augen könnten die Aura und Energiefelder der Dinge wahrnehmen, und er verfasste pedantische (und stinklanweilige!) Abhandlungen über "die innere Seite von XXX" (erstetze "X" durch "Moleküle" bzw. "Atome" bzw. "chemischen Elemente" und viele andere Dinge).

Seine Bücher über die Chakras und die Aura sind nach wie vor Grundausstattung aller esoterischen Bibliotheken.

Ende des 19. Jahrhunderts hatte er einen Blick auf einen kleinen Inderjungen geworfen, den er am Strand spielen sah und der angeblich die "reinste und weißeste Aura" hatte, die Leadbeater je gesehen hatte.

Und da die theosophische Gesellschaft dieser Zeit in ständier Erwartung des neuen Jesus und neuen Buddhas Maitreya lebte, erklärte er den armen Jungen kurzerhand zum zukünftigen Weltenretter und Erlöser. Er kaufte ihn seinem Vater ab (einem verarmten Brahmen mit sechs anderen Knaben...jaaa, Krishnamurti war zu allem Unglück nämlich auch noch der siebte Sohn eines Brahmanen...) und brachte ihn von nun an in den "Genuss" einer echt britischen Erziehung. Bei der damaligen rassendiskriminierenden Haltung der Briten eine kleine Sensation.

Von Klein auf wurde Krishnamurti von den theosophen konditioniert und auf seine spätere Rolle hin ausgebildet: laut dem theosophischen Weltverständnis sollte er nämlich als "Gefäß" für den universalen Buddha- bzw. Christusgeist sein (bei Leuten wie den Theosophen ist sowas nämlich ziemlich dasselbe...) und sein ganzes jugendliches Leben hindurch musste er quasi als "Ausbildung" dorthin begreifen.

Nach Jahren in London, wo er quasi "den letzten Schliff" bekommen sollte (schließlich musste der Welt, sprich: dem Westen, ein "Messias" präsentiert werden, der mit Messer und Gabel essen, Anzüge tragen und die gängigsten Starndartänze tanzen konnte...) ging er nach Kalifornien, wo die Theosophen Besitzungen in Ojai, Kalifornien hatten.

Dort sollte er sich in abschließenden Meditationen auf den Empfang des "Christusgeistes" oder wie auch immer vorbereiten. Tatsächlich war dies eine Zeit der Transformation. Fast alleine machte der schon erwachsene Krishnamurti eine tiefe Veränderung durch. In seinen Biographien wird dies eindrucksvoll geschildert. Es scheint eine Zeit auch physischer Schmerzen gewesen zu sein, eine Zeit ständiger Visionen und der "Präsenz" seltsamer Kräfte, wie seine Begleiter schilderten.

Nach Monaten des Rückzugs kam Krishnamurti verändert zurück. Freudig erregt erwartete die theosophische Gesellschaft nun, dass er ihre Erwartungen erfüllen und neue, universale Lehren verkünden, ja am Besten eine neue Religion gründen würde, welche die aktuellen Religionen ablösen würde.

Doch er tat das genaue Gegenteil. Er lehrte, ohja, aber er lehrte die Sinnlosigkeit des Lehrens. Die Absurdität der Religion. Den Irrsinn, einen "Weg zur Wahrheit" zu suchen. Die Wahrheit, so sagte er oft, sei ein pfadloses Land. Ohne Führer, ohne Dogmen, ohne Lehre könne man sie nur in sich selbst finden - durch einen radikalen geistigen Wandel, der das Bewusstsein für alle Zeit ins "hier und jetzt" reissen würde.

Die Theosophen waren geschockt! Da hatten sie einen Messias erwartet, und nun kam da dieser Bilderstürmer bei raus!

Dabei.... ist es nicht die Aufgabe jedes WAHREN Messias, mit dem "Alten" zu brechen, die Menschen aus ihrer Ignoranz zu befreien und auf neue, bislang unbegangene Wege zu führen? Quasi eine "Evolution des Geistes" herbeizuführen?

So gesehen waren der Kinderschänder Leadbeater und seine Horde sogar erfolgreich gewesen.

Krishnamurti erklärten sie alsbald zum leibhaftig gewordenen "Satan". Dieser jedoch wurde steinalt - und hat bis ins hohe Alter nicht aufgehört, auf Reisen um die ganze Welt Reden zu halten.

Er hat keine Religion und keine Schule gegründet, er hat auch keine Bücher geschrieben. Aber er hat die Begegnung mit den Menschen gesucht, er hat "Workshops" veranstaltet, auf denen er sich jedes Mal aufs Neue mit den Zuhörern auf eine "gemeinsame Reise" machte.

Und er hat der Veröffentlichung seiner Reden nicht widersprochen, jedoch stets davor gewarnt, sie zur allein seelig machenden Wahrheit zu erklären. Ganz Buddha hat er stets betont, dass jeder für sich selbst prüfen müsse.

Inhalt und Auszüge von "Einbruch in die Freiheit":

Hier handelt es sich um ein kleines Bändchen, erschienen im Ullstein Verlag.

Der Text ist eine Anzahl seiner letzten Reden in Englisch, die er vor vielen Zuhörern weltweit hielt, bevor er 1986 in Kalifornien verstarb.

Die Themen reichen weit, von Selbsterkenntnis, Achtsamkeit und Glückseligkeit geht es bis hin zu Liebe, Tod, Abhängigkeit und Freiheit, Schönheit, Denken und Schweigen um schliesslich mit Texten über Meditation und religiöse Revolution zu enden.

S.10
Seit Jahrhunderten sind wir durch unsere Lehrer, durch unsere Autoritäten, durch unsere Bücher und unsere Heiligen gegängelt worden. Wir erwarten, dass sie uns alles offenbaren, was hinter den Hügeln, den Bergen und der Erde liegt. Und wir sind mit ihrer Darstellung zufrieden, das bedeutet, dass wir von Worten leben und unser Leben hohl und leer ist. Wir sind Menschen aus zweiter Hand. Wir haben von dem gezehrt, was man uns gesagt hat, und liessen uns entweder durch unsere Neigungen und Absichten leiten oder durch das, was uns durch die Umstände und die Umwelt aufgezwungen wurde. Wir sind das Resultat aller möglichen Einflüsse. In uns ist nichts Neues, nichts, das wir selbst entdeckt haben, nichts Ursprüngliches, Urtümliches, Leuchtendes.

Während der ganzen theologischen Vergangenheit ist uns von religiösen Lehrern versichert worden, dass wir, wenn wir bestimmte Riten verrichten, bestimmte Gebete oder Mantras wiederholen, uns gewissen Normen anpassen, unsere Wünsche unterdrücken, unsere Gedanken kontrollieren, unsere Leidenschaften sublimieren, unsere Triebe eindämmen und uns sexueller Ausschweifungen enthalten, dass wir - wenn Geist und Körper ausreichend gefoltert sind - dann etwas jenseits dieses bedeutungslosen Lebens finden werden. Und das haben Millionen sogenannter religiöser Menschen Jahrhunderte hindurch getan, entweder in der Abgeschiedenheit, indem sie in die Wüste oder in die Berge oder in eine Höhle gingen oder mit der Bettelschale von Dorf zu Dorf wanderten oder sich in einem Kloster als Gruppe zusammenfanden und ihren Geist zwangen, sich einem festgelegten Vorbild anzupassen. Aber ein gequälter Mensch mit einem zerbrochenen Geist, ein Mensch, der diesem ganzen Tumult zu entrinnen trachtet, der der äusseren Welt entsagt hat und durch Disziplin und Anpassung abgestumpft wurde, solch ein Mensch, wie lange er auch suchen mag, wird nur finden, was seinem irregeleiteten Geist entspricht.

S.14-15
Alle äusseren Veränderungen, die durch Kriege, Revolutionen, Reformationen, Gesetze und Ideologien veranlasst wurden, haben es nicht vermocht, die Natur des Menschen und damit die Gesellschaft grundlegend zu verwandeln. Als menschliche Wesen, die in dieser monströs hässlichen Welt leben, müssen wir uns fragen, ob diese Gesellschaft, die auf Wettbewerb, Brutalität und Furcht gegründet ist, zu einem Ende kommen kann - nicht in der begrifflichen Vorstellung, nicht als eine Hoffnung, sondern in Wirklichkeit, so dass der Geist frisch, neu und unschuldig ist und eine gänzlich andere Welt hervorbringen kann. Ich glaube, das kann nur geschehen, wenn jeder von uns die wesentlichste Tatsache anerkennt, dass wir als Individuen, als menschliche Wesen, in welchem Teil der Welt wir auch zufällig leben oder welcher Kultur wir auch zufällig angehören mögen, voll und ganz für den Gesamtzustand der Welt verantwortlich sind.
(...)
Man hat es uns gesagt. Die sogenannten spirituellen Führer, von denen man annimmt, dass sie diese Dinge besser verstehen als wir, haben es uns gesagt, indem sie versuchten, uns in eine neue Schablone hineinzubiegen und hineinzupressen, und das hat uns nicht sehr weit gebracht. Weltkluge und gelehrte Männer haben es uns gesagt, und das hat uns auch nicht weitergeführt. Uns wurde gesagt, dass alle Wege zur Wahrheit führen: der eine geht auf seinem Pfad als Hindu, ein anderer folgt seinem Pfad als Christ und wieder ein anderer als Moslem, und sie alle begegnen sich an derselben Tür, und das ist, wenn Sie es richtig betrachten, offensichtlich völlig unsinnig.
Zur Wahrheit führt kein Pfad, und darin liegt ihre Schönheit; die Wahrheit ist etwas Lebendiges. Eine tote Sache hat einen Pfad, der zu ihr führt, weil alles Tote statisch ist. Wenn Sie aber erkennen, dass die Wahrheit etwas Lebendiges ist, das in Bewegung ist, das keine bleibende Stätte hat, das in keinem Tempel, keiner Moschee oder Kirche zu finden ist, wohin Sie keine Religion, kein Lehrer, kein Philosoph führen kann - dann werden Sie auch erkennen, dass dieses Lebendige das ist, was Sie in Wirklichkeit selbst sind - Ihr Ärger, Ihre Rohheit, Ihre Heftigkeit, Ihre Verzweiflung, die Trübsal und das Leid, darin Sie leben. Im Verstehen all dieser Dinge liegt die Wahrheit; doch Sie können nur verstehen, wenn Sie wissen, wie Sie auf diese Dinge, die zu Ihrem Leben gehören, zu schauen haben. Und Sie können nicht von einer Ideologie aus schauen, nicht durch einen Schleier von Worten, nicht mit Hoffnungen und Ängsten.
Sie sehen also ein, dass Sie von niemandem abhängig sein dürfen. Es gibt keinen Führer, keinen Lehrer, keine Autorität. Es gibt nur Sie - Ihre Beziehung zu anderen und zur Welt - , nichts sonst ist da. Wenn Sie das erkennen, mögen Sie in tiefe Verzweiflung geraten, aus der Zynismus und Bitterkeit erwachsen. Doch wenn Sie der Tatsache ins Auge sehen, dass Sie und niemand sonst für die Welt und für sich selbst verantwortlich ist, für alles, was Sie denken, was Sie fühlen, wie Sie handeln, dann verschwindet alle Selbstbemitleidung. Normalerweise gedeihen wir dadurch, dass wir andere tadeln, was eine Form der Selbstbemitleidung ist.

S.52
Sie haben nun eine Reihe von Darlegungen gelesen, aber haben Sie wirklich verstanden? Ihre Voreingenommenheit, Ihre Lebensart, die Struktur der Gesellschaft, in der Sie leben, verhindern Sie daran, eine Tatsache anzuschauen und unmittelbar und gänzlich davon frei zu sein. Sie sagen: "Ich will darüber nachdenken; ich will überlegen, ob es möglich ist, von der Gewalt frei zu sein oder nicht. Ich will versuchen frei zu sein." Dieses "Ich will versuchen" ist das Schrecklichste, was Sie sagen können. Es gibt kein Versuchen, Sie können nicht Ihr Bestes tun wollen. Entweder Sie tun es, oder Sie tun es nicht! Sie operieren noch mit der Zeit während das Haus schon brennt. Das Haus brennt als Folge der Gewalt in der ganzen Welt und in Ihnen, und Sie sagen, "Lassen Sie mich darüber nachdenken, welche Ideologie die beste ist, das Feuer zu löschen." Wenn das Haus in Flammen steht, argumentieren Sie dann über die Haarfarbe des Menschen, der das Wasser bringt?

S.67 ff.
Wir haben das Leben vom Sterben getrennt, und das Intervall zwischen beiden ist Furcht; dieses Intervall, diese Zeit wird durch die Furcht geschaffen. Das Leben ist für uns eine tägliche Folter, ist Unbill, Leid und Verwirrung, und gelegentlich öffnet sich ein Fenster über verzauberten Meeren. Das nennen wir Leben, und wir fürchten uns davor zu sterben, das heisst, diese Misere zu beenden. Wir würden uns viel lieber weiter an das Bekannte klammern, als dem Unbekannten ins Auge zu sehen - an das Bekannte, das unser Haus ist, unser Hausrat, unsere Familie, unser Charakter, unsere Arbeit, unser Wissen, unser guter Ruf, unsere Einsamkeit, unsere Götter - diese Belanglosigkeiten, die sich unaufhörlich im eigenen Kreise drehen, in dem festgefahrenen Modell eines verbitterten Daseins.
Wir glauben, dass Leben immer in der Gegenwart ist und dass das Sterben uns in ferner Zeit erwartet. Aber wir haben niemals gefragt, ob dieser tägliche Lebenskampf überhaupt Leben ist. Wir möchten die Wahrheit über Reinkarnation erfahren, wir wünschen Beweise für das Überleben der Seele, wir hören auf die Aussagen der Hellseher und auf die Forschungsergebnisse der Parapsychologie; aber wir fragen niemals - niemals - wie man leben sollte, wie man täglich voller Freude, verzaubert, in Schönheit leben kann. Wir haben das Leben hingenommen wie es ist, mit seiner ganzen Qual und Verzweiflung; wir haben uns daran gewöhnt und denken an den Tod als an etwas, das sorgfältig zu vermeiden ist. Aber der Tod ist ungewöhnlich wie auch das Leben, wenn wir wissen, wie wir leben sollen. Sie können nicht leben, ohne zu sterben. Sie können nicht leben, wenn Sie nicht in jeder Minute innerlich sterben. Das ist kein intellektuelles Paradoxon. Um vollkommen, in ganzer Fülle zu leben, jeden Tag in seiner neuen Schönheit zu erleben, müssen wir uns von allem Gestrigen lösen, sonst leben wir gewohnheitsmässig, und ein Mensch, der zum Automaten geworden ist, kann niemals wissen, was Liebe ist oder was Freiheit ist.

Die meisten von uns fürchten sich vor dem Sterben, weil wir nicht wissen, was es heisst, zu leben. Wir wissen nicht, wie wir leben sollen, daher wissen wir nicht, wie wir sterben sollen. Solange wir uns vor dem Leben fürchten, werden wir uns auch vor dem Tode fürchten. Der Mensch, der sich nicht vor dem Leben fürchtet, fürchtet sich nicht davor, völlig ungesichert zu sein, denn er erkennt, dass es innerlich, psychologisch keine Sicherheit gibt. Wenn keine innere Sicherheit vorhanden ist, beginnt eine endlose Bewegung, und dann sind Leben und Tod eins. Der Mensch, der ohne Konflikt lebt, dessen Leben voller Schönheit und Liebe ist, fürchtet sich nicht vor dem Tode, denn zu lieben heisst zu sterben.

S.69 ff

Liebe
Das Verlangen, in den persönlichen Beziehungen sicher zu sein, erzeugt unvermeidlich Leid und Furcht. Dieses Suchen nach Sicherheit fordert die Unsicherheit heraus. Haben Sie in irgendeiner Ihrer Beziehungen jemals Sicherheit gefunden? Haben Sie das? Wenn wir lieben und geliebt werden, wünschen sich die meisten von uns Sicherheit in dieser Liebe. Aber ist das Liebe, wenn jeder seine eigene Sicherheit, seinen eigenen Weg sucht? Wir werden nicht geliebt, weil wir nicht zu lieben wissen.
Was ist Liebe? Das Wort ist so belastet und verfälscht, dass ich es ungern gebrauche. Jedermann spricht von Liebe - jedes Magazin, jede Zeitung und jeder Missionar spricht unaufhörlich von Liebe. Ich liebe mein Heimatland, ich liebe meinen König, ich liebe irgendwelche Bücher, ich liebe diesen Berg, ich liebe das Vergnügen, ich liebe meine Frau, ich liebe Gott. Ist Liebe eine Idee? Wenn sie es ist, dann kann sie kultiviert, gehegt und gepflegt, herumgestossen und verunstaltet werden, ganz nach Ihrem Belieben. Wenn Sie sagen, Sie lieben Gott, was bedeutet das? Es bedeutet, dass Sie die Projektion Ihrer eigenen Vorstellungen lieben, eine Projektion Ihrer selbst, die in konventionelle Form gekleidet dem entspricht, was Sie für edel und heilig halten. Darum ist es absoluter Unsinn zu sagen, "Ich liebe Gott". Wenn Sie Gott anbeten, beten Sie sich selbst an - und das ist keine Liebe.
(...)
Der Liebe zu begegnen, ohne sie zu suchen, ist der einzige Weg, sie zu finden; man muss ihr unbeabsichtigt begegnen und nicht durch Anstrengung oder Erfahrung. Sie werden entdecken, dass eine solche Liebe zeitlos ist. Solche Liebe ist sowohl persönlich als auch unpersönlich, Sie gehört dem einen wie den vielen. Sie ist wie eine duftende Blume; sie können ihren Duft wahrnehmen oder an ihr vorübergehen. Diese Blume ist für jeden da und besonders für den einen, der sich die Zeit nimmt, ihren Duft innig einzuatmen und sie mit Entzücken anzuschauen. Ob man ihr im Garten ganz nah ist oder weit entfernt, für die Blume ist es das gleiche, weil sie voll des Duftes ist und ihn für jeden verströmt.
Liebe ist immer neu, frisch, lebendig. Sie hat kein Gestern und kein Morgen. Sie ist jenseits der gedanklichen Unruhe. Nur der unschuldige Mensch weiss, was Liebe ist, und der unschuldige Mensch kann in einer Welt leben, die ohne Unschuld ist. Dieses Ungewöhnliche, das der Mensch ewig gesucht hat - durch Opfer, durch Anbetung, durch Beziehungen, durch Sexualität, durch jede Art von Lust und Leid - wird er nur finden, wenn es dem Denken gelingt, sich selbst zu verstehen und auf natürlichem Wege zu einem Ende zu kommen. Dann hat die Liebe keinen Gegenspieler, dann ist die Liebe ohne Konflikt.

S.100 ff
Meditation
Dieses ganze Problem zu erforschen ist Meditation. Man ist mit diesem Wort sowohl im Osten wie im Westen in einer höchst unglücklichen Weise umgegangen. Es gibt verschiedene Meditationsschulen, verschiedene Methoden und Systeme. Es gibt Systeme, die sagen, "Beobachte die Bewegung Deiner großen Zehe, beobachte sie, beobachte sie, beobachte sie." Es gibt andere Systeme, die empfehlen in einer ganz bestimmten Haltung zu sitzen, regelmässig zu atmen oder Bewusstheit zu üben. Das alles ist äusserst mechanisch. Eine andere Methode gibt Ihnen ein bestimmtes Wort mit dem Hinweis, dass Sie eine ungewöhnliche transzendentale Erfahrung werden, wenn Sie es ständig wiederholen. Das ist reiner Unsinn. Es ist eine Art von Selbsthypnose. Wenn Sie das Wort Amen oder Om oder Coca-Cola unaufhörlich wiederholen, werden Sie gewiss eine bestimmte Erfahrung haben, weil Ihr Geist durch die Wiederholung ruhig wird. Es ist ein wohlbekanntes Phänomen, das seit Jahrtausenden in Indien praktiziert worden ist - Mantra-Yoga wird es genannt. Durch Wiederholung können Sie bewirken, dass der Geist freundlich und sanft wird, aber er bleibt ein kleinlicher, minderwertiger, unbedeutender Geist. Sie mögen ebensogut einen Zweig, den Sie im Garten aufgelesen haben, auf den Kaminsims legen und ihm jeden Tag eine Blume opfern. Nach einem Monat werden Sie ihn anbeten, und wenn Sie es versäumen, eine Blume davor niederzulegen, wird es zu einer Sünde werden.
Meditation heisst nicht, einem System zu folgen; sie besteht nicht in ständiger Wiederholung und Nachahmung. Meditation ist keine Konzentration. Es ist eine der Lieblingsmethoden einiger Meditationslehrer, darauf zu bestehen, dass ihre Schüler zunächst Konzentration erlernen - das bedeutet, den Geist auf einen Gedanken zu fixieren und alle anderen Gedanken zu vertreiben. Das ist höchst stumpfsinnig und hässlich; jeder Schuljunge kann das, weil er dazu gezwungen wird. Es bedeutet, dass Sie sich ständig im Kampf befinden zwischen der Beharrlichkeit einerseits, mit der Sie sich konzentrieren müssen, und Ihrem Geist andererseits, der zu allen möglichen Dingen abirrt. Worauf es allein ankommt, ist, dass Sie vor jeglicher Regung Ihres Geistes achtsam sein sollten, wo immer er auch herumwandern mag. Wenn sich Ihr Geist verliert, bedeutet es, dass Sie an etwas anderem interessiert sind.
Meditation verlangt einen erstaunlich wachen Geist. Meditation ist das Verstehen des Lebens in seiner Ganzheit; jede Art der Zersplitterung hat in diesem Zustand aufgehört. Meditation ist keine Gedankenkontrolle, denn wenn das Denken kontrolliert wird, erzeugt es im Menschen Konflikt. Aber wenn Sie die Struktur und den Ursprung des Denkens verstehen, worüber wir bereits gesprochen haben, dann wird sich das Denken nicht einmischen. Dieses Verstehen der Denkstruktur ist an sich Disziplin, und das ist Meditation.

Sonntag, 6. Januar 2008

Sylvester 2007 – Was lange währt... oder „Von nun an gehts bergauf“

Jahresrückblicke sind gerade ja allerorten.

Im irischen TV lief heute den ganzen Abend eine Sendung mit den „Highs“ und „Downs“ des Jahres 2007 für Irland.


Das war mal wieder einer der Momente, in denen man merkt, dass man mitten im Auenland lebt, unter Hobbits.


Haupt-Concerns sind Dinge wie steigende Hypothekenraten, bewaffnete Bandenkriminalität und Drogenschmuggel (ein Novum hier), der Drogentod des weltbekannten irischen Models Kathy French (hä? Hab ich vorher auch nie von gehört...) und als „der wichtigste Moment irischer Geschichte in 2007 von geradezu weltgeschichtlichem Ausmass“ wurde der Handschlag von Bertie Ahern und einem Al-Quaida...äh...IRA-Dinosaurier in Berties Residenz im Phoenix Park bezeichnet.....


...also wenn DAS nicht die Insel der Unwissenden Seeligen ist, dann weiss ich auch nicht... J


 


Also, Jahresrückblick... am 31.12.2006 war ich in Holzgerlingen und verbrachte die ersten Minuten des neuen Jahres zusammen mit meinen Nachbarn auf der Gartenstrasse, dazu schlechter amerikanischer Sekt (vom Nachbarn, naturellement!) und was gesprochen wurde, weiss ich nicht mehr.


Ich weiss nur noch, dass es kalt war und mein alter Golf II vor dem Küchenfenster stand. Der Abgabetermin für die Magisterarbeit war noch über zwei Monate entfernt, und ich hatte gerade erst den „Starter-Kurs“ für Hartz-IV-Empfänger absolviert, den jeder, der im Landkreis Böblingen in die unglückliche Lage kommt, in dieses Abhängigkeitsverhältnis von geistig und seelisch unterbelichteten Bürokratiemonstern zu gelangen, zu absolvieren hat.


Der Hartz-IV-Kurs bestand aus einem dreitägigen Pflichtprogramm, während welchem uns ein dümmlicher Bengel von gerade einmal 22, 23 Lenzen versuchte, bei der Erstellung von Lebensläufen „behilflich“ zu sein (der „Lehrer“ war der jüngste Teilnehmer dieser Horrorveranstaltung). Die restlichen Teilnehmer bestanden zum Großteil aus verwirrten Ehefrauen arbeitsloser Immigranten, die dank der neuen Rechtsprechung nun auch zu „arbeitssuchenden“ erklärt worden waren und daher auch den ganzen Schwachsinn über sich ergehen lassen mussten.


Ich erinnere mich noch an den etwas verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht des „Lehrers“, als er meinen Lebenslauf las. Alles was er sagen konnte, war: „Was machen Sie eigentlich hier?“ „Das frag ich mich auch schon die ganze Zeit“ war alles, was ich antworten konnte, unter dem zustimmenden Gelächter aller Teilnehmer.


Das liegt jetzt gerade mal ein gutes Jahr zurück – es scheint mir Welten in der Vergangenheit zu liegen.


Sylvester 2006... da hatte ich schon ca. 30 schriftliche Bewerbungen verschickt und nur Absagen kassiert. Da bewegte sich mein Leben zwischen dem Schreiben der Magisterarbeit, einem Minijob bei der Caritas in Tübingen und der Ungewissheit, in welcher Richtung es denn nun weitergehen sollte.


Es war erst an Ostern 2007, als ich meinen Lebenslauf auch auf Englisch ins Internet stellte und meine Jobsuche auf Großbritannien, Irland, Frankreich und die Benelux-Staaten ausweitete. Zwei Tage später war die Email von Google im Posteingang – eine Recruiterin war auf mich aufmerksam geworden.


Von da an dauerte es noch fast vier Monate, bis ich die Zusage in der Tasche hatte.


Zunächst waren diverse Unternehmen in Irland und England auf mich aufmerksam geworden. Kein Tag verging, an dem nicht irgendein Recruiting-Büro mich anrief oder –schrieb. Meist waren es jedoch absolut unterbezahlte Sklavenjobs (in Callcentern!), von denen wir nie hätten überleben können – Hartz IV wäre ein höherer Lebensstandard gewesen!


Dennoch machte ich das Spielchen eines „Assesment Center“ bei Kimberley-Clark in Brighton mit, obwohl es von vorneherein klar war, das deren Gehalt nicht einmal zum Überleben reichen würde. Eine japanische Lebensmittelimportfirma in London hatte ebenfalls Interesse, es war der Job eines Account Managers zu vergeben. Am Schluß konnte ich sogar wählen, welchen Job ich annehme: London oder Dublin.


Im August war es dann endlich soweit – Zusage Ende Juli – und wir zogen nach Irland. Es ging Schlag auf Schlag, nach der Zusage blieb kaum Zeit, alles zu organisieren.


Die ersten 30 Tage im Firmenappartement, und danach hatten wir unsere kleine Bleibe in Sutton gefunden.


Arbeitsmässig war viel los, die Probezeit war (und ist!) Ausbildungszeit. Es wird noch bis ca. März dauern, bis ich den Job, für welchen ich eigentlich eingestellt wurde, auch tatsächlich ausüben werde. Wow!


So und dieses Sylvester? Es als "ruhig" zu bezeichnen wäre noch untertrieben gewesen. Wir waren - auch mangels Alternativen - zu Hause geblieben und natürlich lief der Fernseher. Schaltete man auf die britische BBC, konnte man Bilder von London sehen, voller Menschen und Parties, und nach dem Countdown gab es ein gewaltiges Feuerwerk. Im irischen RTE war hingegen nix los. Die zwei Puppen-Lästerer „Podge and Rodge“ hatten in einer Talkshow Gäste (u.a. Miss Ireland 2007), welche sie mit Spott überzogen und um Mitternacht verwandelte sich das Studio kurzfristig in einen Saal tanzender Kobolde. Kein Feuerwerk, nichts.


 Auch im „real life“ war hier in Sutton nichts los. Lichter brannten in den Wohnzimmern, aber kein Mensch war auf der Straße. In der Ferne hörte man ein paar Böller, und eine Rakete habe ich gesehen. In Irland ist „wildes Feuerwerk“ verboten, in den Supermärkten wurde auch kein Feuerwerksmaterial verkauft. Bei den kranken Jugendlichen hier im Land vielleicht auch besser so – würde hier Feuerwerk verkauft werden, wär man wahrscheinlich schon Wochen vor Sylvester auf den Strassen nicht mehr sicher. Echt krank die Leute hier.


 So verbrachten wir ein denkbar ruhiges Sylvester, ein bisschen Sekt, etwas Lachs und „Terinne Bretonne“ – passender Abschluß eines doch sehr hektischen Jahres.


 Wie ich nun erfuhr, ging es den über den Jahreswechsel in Irland  gebliebenen Kollegen nicht anders. Die meisten waren auf irgendwelchen Privatparties (alles Kollegen - nein danke!) gewesen. Auch in den Strassen Dublins war wohl nichts los, was man als "Sylvesterstimmung" hätte beschreiben können. Klar, Horden von Menschen, die meissten betrunken. Aber ausser etwas Kirchengeläut keine weiteren akustischen und auch keine optischen Reize. Nunja...