Dienstag, 30. Dezember 2014

Deutschland, ein Winter-Albtraum oder: PEGIDA - Nicht MEIN Abendland!

Heinrich Heine liebte Deutschland. Am liebsten aus der Ferne. Er liebte es dafür, was es sein könnte, was es sein sollte.

Sein "Deutschland, ein Wintermärchen" war eine kritisch-humoristische Auseinandersetzung mit einem Land, dessen Kind er zwar war, dass ihm gegenüber jedoch mehr als unfair auftrat. Als deutscher Jude durfte er dort den Beruf eines Juristen nicht ausüben, und um der Zensur zu entgehen, emigrierte er nach Frankreich (sein Grab ist heute noch auf dem Pariser Montmartre-Friedhof zu finden).

Seine Heimatstadt Düsseldorf hat sich lange schwer getan mit dem bekanntesten Literaten der Stadt, fast 20 Jahre dauerte der Streit, bis die Düsseldorfer Universität endlich (seit 1989 erst!) Heinrich-Heine-Universität heissen kann.

Im 3. Reich waren seine Werke verboten, aber sein wohl bekanntestes Gedicht, die Loreley, war so deutsch und allgemein bekannt und bewundert, dass selbst die Nazis es nicht verbieten konnte. Letztlich entschlossen sie sich dazu, Heine die Urheberschaft abzuerkennen und in den Schulbüchern einfach als "Deutsches Volkslied" oder "Dichter: unbekannt" abzudrucken (zumindest wenn man Adorno glaubt).

Auch dieser Tage geht wieder ein Gespenst um in Deutschland. Leider ist es nicht das Gespenst des Kommunismus, sondern - frei nach Tolkien - der alte Feind ist wieder erwacht und wie es scheint, wird er zunächst vor allem im Osten sein dunkles Reich errichten können.

Ich spreche natürlich von der infamen "Pegida"-Bewegung, die mit ihren tumb-biederen Mitläufern sich selbst ernannt hat, das Abendland zu retten. Wovor? Na, vor der Islamisierung natürlich, stupid!

Islamisierung... klar, wer will das schon. Und natürlich ist die von den Bluthunden der Pegida-Bewegung so genannten "Lügenpresse" überhaupt nicht daran Schuld, dass die Angst (denn darum geht es ja im Kern bei den Anhängern und Mitläufern dieser Schmuddelgruppe) vor "den Islamisten" überhaupt erst auf fruchtbaren Boden fallen konnte, in Sachsen und inzwischen querbeet in der ganzen, bunten Republik Deutschland.

Islamisierung - warum die Angst vor diesem absurden Nicht-Ereignis, und warum ausgerechnet jetzt?
Der "Kalif von Köln" tobte doch schon vor Jahren (und ist er inzwischen nicht ausgewiesen?), nervige Konvertiten wie Pierre Vogel nimmt doch keiner wirklich ernst - und die Anzahl der Moscheen hält sich ja doch sehr in Grenzen.

Mehr - die Statistik (fragen sie mal einen Religionssoziologen/-wissenschaftler) gibt der ganzen Debatte um eine angebliche "Islamisierung" Deutschlands auch kein Futter: auch im Jahre 70 nach dem 2. Weltkrieg ist und bleibt der Islam die Religion von Migranten und deren Kindern. Ja, viele der Migranten sind natürlich inzwischen auch in Deutschland zu Hause, und ja, "der Islam" (den es ja so wenig gibt wie "das" Christentum, "das" Judentum oder "den" Buddhismus) ist inzwischen ein Teil der deutschen Gesellschaft.

Gesellschaftliche Diskurse bezüglich Themen wie "Integration" gibt es nun ja schon länger, was ich dabei immer vermisse ist die nicht-kulturzentrische Perspektive. Wie integriert ist ein (deutscher) Hamburger Hafenpunker, den es in ein schwäbisches Dorf verschlägt? Er dürfte dort weniger "integriert" sein als der türkische Einwohner, der bereits seit 40 Jahren dort wohnt und brav die Kehrwoche macht am Wochenende...

Wie dem auch sei: die Angst, die - mal wieder - vor allem im Osten der Republik Fuss fasst, dort, wo der Ausländeranteil viel zu gering ist (es ist meine feste Überzeugung, dass zu einer "gesunden" Gesellschaft ein gewisser, spürbarer Anteil an Ausländern gehört - alles andere führt zu Stagnation und schließlich zu Ignoranz), diese Angst ist zwar ein "Urdeutsches" Gefühl (selbst im Englischen spricht man von der "German angst"), jedoch geht mir so langsam die Geduld aus mit dem ewigen Rumgejammere auf hohem Niveau in Deutschland.

Es gibt ja tatsächlich Leute, die auf meine Pegida-Kritik hin mit Antworten daherkommen wie z.B. "Ja die Politiker sollten aber mal...." oder "Das sind nicht nur Idioten, die da demonstrieren, da verschafft sich gerechter Unmut Platz".

Wie bitte? Gerechter Unmut? Ich finde es fast noch widerlicher, wenn man versucht, diese Pegidioten auch noch in den Schutz zu nehmen, bzw. versucht, ihren Protest mit an den Haaren herbeigezogenen Gründen zu entschuldigen, die nichts, aber auch gar nichts mit dem fremdenfeindlichen Grundton dieser Demonstranten zu tun haben.

Ich höre von Zeit zu Zeit Argumente wie "die Politiker seien Schuld daran, weil sie das Volk ignoriert / den Islamisten den Hof gemacht / das Sozialsystem kollabieren haben lassen". Oder die sozialen Umstände bzw. Zustände im Osten seien Schuld.

Schön, ich sehe ein dass die Arbeitsmarktlage in Ostdeutschland weit weg von "optimal" liegt. Ich sehe ein, dass es dort ernstzunehmende demografische Verschiebungen gab, und so weiter und so fort.

Ich bin auch der erste, der dem Islamismus bzw. Salafisten gegenüber höchst kritisch gegenübersteht. Lange Jahre habe ich mich darüber gewundert, wie Islamisten manches Mal in Europa geduldet wurden.

Inzwischen weiss ich aber, dass nur eine rechtstaatliche Reaktion auf Extremisten die richtige Reaktion sein kann und sein darf. Wer wie die USA alle seine Grundsätze und Prinzipien über Bord wirft, aus Angst, Opfer eines erneuten Terroranschlags zu werden, und darauf hin Unschuldige entführt, foltert und tötet; wer den juristischen Grundsatz, ein Mensch sei so lange Unschuldig, bis die Schuld bewiesen mir nichts, dir nichts ersetzt durch die Annahme, jeder sei erstmal "verdächtig" und es bedürfe eines UNschuldsbeweises - DER gefährdet die Grundfesten des Abendlandes und der Aufklärung, der macht mit einem Mal alles zunichte, das von der Rennaissance bis in die Neuzeit brauchte, um letzten Endes nach zwei Weltkriegen Allgemeingut zu werden.

Deshalb: Pegida - Nein Danke.
Deshalb: Pegida - Nicht MEIN Abendland.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen